Spracherscheinungen
It‘s always the same, it‘s always chasing the white rabbit through the labyrinth. It‘s always coming to the end and then finding wonderland and finally playing run and hide.
Suchen wir nicht alle nur den weißen Hasen? Jemanden oder etwas, das uns entführt, das uns kidnapped aus dem Alltag und so viel Lösegeld fordert, dass die Welt sich eingesteht, dass sie auf das eine Spielzeug verzichten kann. Die Jagd nach dem weißen Hasen ist auch verfassungsrechtlich längst als Grundrecht gewährleistet: „pursuit of happiness“. Doch wie oft stehen wir vor den Türen von Wunderland, haben das Türrätsel gelöst, denken „wonderful“, drehen uns um und gehen?
Man steht auf, unternimmt allerlei Anstrengung, um schließlich dressed up vor die Tür zu treten. Ready for Spiegelsaal. Outdoor ist gefährlich, deswegen gibt es dafür auch spezielle Schutzkleidung, man begegnet vielen Menschen. Viele Menschen sind schlecht geschliffene Linsen: man kann durch sie hindurch blicken, die Welt ein bisschen meinungsverzehrt betrachten und weitergehen. Einige sind Spiegel mit einem unmöglichen, tadelnswerten Drang, die Wahrheit zu zeigen. Sozusagen anti-business-as-usual-Menschen. Das ist das Wundervolle an ihnen und das Schmerzhafte. Für sie wurde wahrscheinlich der Raumanzug erfunden, mit verspiegeltem Visier. (Es gibt auch billige Sonnenbrillen, die diesen Effekt ansatzweise imitieren.)
Sollte so ein Mensch einem dennoch in die Augen blicken, würde er einen zwangsläufig berühren, die Welt würde aufbrechen und dieser Mensch in die Welt ein. Davon träumt der Jäger und davor hat er Angst.
It‘s business as usual but you cannot buy wonderland which unfortunately also means you cannot sell it. There is no run and hide.
Die Gesellschaft erwartet von dir, dass du dich kümmerst, sie braucht sich nicht um dich zu scheren, das würde sie zu sehr belasten, aber wenn du dich um dich selbst kümmern willst, solltest du für einen reibungsfreien Behördengang sorgen, im Gegensatz zu dünnem Stuhlgang dient der nämlich der Lebensqualität. Der Gesellschaft ist auch die Welt egal, die kannst du noch retten – in deinem nächsten Leben, dafür ist jetzt keine Zeit, denn du musst Quartalssteuern absetzen, dein Studium beantragen, und dich um deinen Einstieg in selbiges explizit selbst kümmern. Dir legt keiner mehr Informationen aufs Plastiktablett, dein Gedächtnis muss selbst sieben.
Werd’ erwachsen, mein Kind, du musst endlich lernen, deine Freiheit in Pflichten zu wiegen.
Meine Oma muss Mathematik studiert haben.
Sie hat schon vor 20 Jahren gesagt, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben – und dass jeder seine gerechte Strafe bekäme.
Kleine Sünden bestraft Gott gleich, sagte sie immer – und die statistische Wahrscheinlichkeit gibt ihr Recht.
Von all dem weiß meine Oma – freilich – alles und nichts, nichts und alles.
Sie hat 65 Jahre gelebt, das scheint empirisch genauso zu qualifizieren wie 10 Semester Mathematikstudium.
Wirklich erstaunlich.
(Aus keineJugend on Twitter – ein keinVerlag.de-Projekt)