Lyrik
Oh Alltag,
wie schön du mich umgibst –
ich bin eine drehende Scheibe
in deinen unendlichen Weiten.
Siehst du meinen niedlichen Horizont?
Da ist ein Bild von uns an der Wand,
wie du mir wieder mal den Stift aus der Hand reißt
und ihn an einen Baum hängst, dessen Äste sich heben,
wenn ich danach greif.
Da, auf dem anderen hältst du mir die Saiten fest
und dort die Tasten vom Klavier.
Ich würd‘ doch alles für dich tun,
sogar Männchen mach‘ ich Tag für Tag.
Schau, wie schön ich für dich funktionier‘.
Oh Alltag,
du Schweizer Uhrmacher.
Oh Wuschelkuh,
was kümmern dich des Menschen Grenzen!
Seien's Büsche, Zäune, Mauern,
dir ist das alles einerlei.
Ein bisschen Wasser gönnst du dir,
lachst dir wohl einen Keks dabei,
weil wir gucken, ducken, zucken,
gehst du mal einen Schritt zu weit.
Was macht das schon, denkst du dir wohl,
die größten Köpfe sind innen hohl.
Ich bin ein Kosmonaut,
der den Himmel vor Planeten nicht gesehen hat.
All die bunten Nebel verdeckten mir die Sicht.
Was macht das schon, dachte ich,
wenn man keinen Heimatplaneten hat,
wenn da draußen acht Milliarden Sterne sind.
Bei Überlichtgeschwindigkeit kann man die Schönheit
der Sterne nicht genießen.
Wozu den Himmel kartographieren,
wenn deine Augen voller Meere sind.
Wir sind wie Verschworene am Weltenrand
und erst mit dir beginnt im Raum die Leere aufzudecken,
was wirklich wichtig für mich ist.
Erst mit dir gewinnt der Ton die Stille.
Wo ist der Hund, Augusta,
der die große Nase im Bücherhaufen wälzt.
Ich hatte diesen kleinen, weißen, leisen Hund,
der mir des Nachts die Weisheit bellte,
er muss hier doch irgendwo sein.
Er hatte oft zwei Bleistifte in den Nasenlöchern,
zerrte sie übers Papier, bis nichts blieb als Fetzen
Leben auf dem Boden.
Fetzenleben nannte er das, und sie waren niemals still;
diese Leben.
Wo ist der Umtreiberhund, der mit dem Leinen-los-Blick,
der mit den Raben tanzte, wenn die Dämm‘rung kam –
der, der die Nacht um die Ohren in Kauf nahm,
um kettenlos zu wandern, lichtlos Gassi.
Sag ihm, ich brenne lichterlos, mein Herz,
seitdem mir seine Worte fehlen.
Zwei Schritt vor und eins zurück,
steh ich unten ohne auf einer Bühne
und halte einen Vortrag vor große Publikum:
Über die Bedeutung von Handtüchern am Strand.
Ein Mann fragt, ob ich kurz einen Schritt beiseite gehen könne,
er fände meine unsichtbare Hose gar so toll.
Ich sag‘: Nur kluge Leute sehen diese Hose.
Gelächter. Sein Gesicht läuft rot an
und fällt dann ganz komisch ein,
als wäre seine Hose gerade aufgegangen.
Zwei Schritt zurück und eins vor,
tanze ich auf einer Falltür,
ohne Netz und jeglichen Boden.
Die Monster hinter dem Scheinwerfervorhang
baden mich in Angst.
Sie spielen ihre Spiele.
Pro richtiger Antwort darf ich einen Schritt vor,
für jede falsche zwei zurück.
Jetzt stellen sie Fragen
über den Sinn des Lebens.
Ihr Uhrenweichmacher!
Unter euren Fingern
wellen sich die Zeiger.
Euer Prinzip ist die Selbstbestätigung
und damit:
die Prinzipienlosigkeit.
Nichts als Schlamm
klebt an euren Händen,
wenn ihr die Sanduhr zerschlagt.
Ihr klopft die Zeit tot
wie ein weiches Schnitzel –
mit einem Teppichklopfer.
Es rinnt der Schlamm
durch eure Hände,
Uhrenweichmacher.
Samstag, 31. März 2012
Ihr Uhrenweichmacher!
Unter euren Fingern
wellen sich die Zeiger.
Euer Prinzip ist die Selbstbestätigung
und damit:
die Prinzipienlosigkeit.
Nichts als Schlamm
klebt an euren Händen,
wenn ihr die Sanduhr zerschlagt.
Ihr klopft die Zeit tot
wie ein weiches Schnitzel –
mit einem Teppichklopfer.
Es rinnt der Schlamm
durch eure Hände,
Uhrenweichmacher.
II:
Wolltest du nicht die Schlange sein,
die immer wieder aus ihrer Haut herauswächst
und sich noch die letzten alten Schuppen von den Knochen wetzt.
Hinterher ganz neu. Immer noch du,
aber irgendwie größer, besser, schlauer.
Bist du nur ein Mensch geworden,
der sich täglich neue Kleider webt,
Fasern des Vergessens um die eignen Fehler dreht,
psychologischer Infekt-Effekt-Defekt:
du bist normal.
I:
Hülle um
Hülle um-
hülle mich
wie eine warme Decke,
bis nichts mehr von mir bleibt.
Das Innere wird kleiner,
Schicht um Schicht
die schwereren Elemente,
bis zur Massenimplosion.
Es liegt ein Schleier über der Stadt
und die gelben Lichter schleichen hindurch.
Ein Netz aus orangefarbenen Punkten
führt sie und die Dunkelheit umrahmt sie mit
blaugrauem Kontrast.
Prinzip der lateralen Hemmung:
umso heller erscheinen ihre Weisungen,
umso deutlicher zeichnen sich die Wege der Menschen.
Wie kommen all die Rechtecke in den regennassen Asphalt
über dem Halteverbot?
Schlussfolgerung: Jemand hat die Regeln verletzt,
kognitive Dissonanz,
bis die Paragraphen weinen.
Die Menschen sind schon so verkehr-t,
dass sie nicht mehr still stehen können,
man will nur noch ankommen,
schnellstmöglich,
am Ende des Rings.