Samstag, 31. März 2012

Uhrenweichmacher

Ihr Uhrenweichmacher!
Unter euren Fingern
wellen sich die Zeiger.

Euer Prinzip ist die Selbstbestätigung
und damit:
die Prinzipienlosigkeit.

Nichts als Schlamm
klebt an euren Händen,
wenn ihr die Sanduhr zerschlagt.

Ihr klopft die Zeit tot
wie ein weiches Schnitzel –
mit einem Teppichklopfer.

Es rinnt der Schlamm
durch eure Hände,
Uhrenweichmacher.

Sonntag, 25. März 2012

Cover

II:

Wolltest du nicht die Schlange sein,
die immer wieder aus ihrer Haut herauswächst
und sich noch die letzten alten Schuppen von den Knochen wetzt.
Hinterher ganz neu. Immer noch du,
aber irgendwie größer, besser, schlauer.

Bist du nur ein Mensch geworden,
der sich täglich neue Kleider webt,
Fasern des Vergessens um die eignen Fehler dreht,
psychologischer Infekt-Effekt-Defekt:
du bist normal.

Cover

I:

Hülle um
Hülle um-
hülle mich
wie eine warme Decke,
bis nichts mehr von mir bleibt.

Das Innere wird kleiner,
Schicht um Schicht
die schwereren Elemente,
bis zur Massenimplosion.

Donnerstag, 15. März 2012

Das Leben ist ein Wunschkonzert

Als wupperzeit mich auf die Idee brachte, man könnte einen Monat lang in der Kolumne Menschen ihre Lieblingsseiten im Internet vorstellen lassen, dachte ich sofort, dass das eine tolle Idee ist. Leider hatte ich nicht vorhergesehen, was für eine schwierige Sache das für mich persönlich werden könnte.
Zunächst fragte ich mich, welche Seiten ich denn oft besuche. Neben keinVerlag fielen mir diverse Seiten ein, die andere Menschen sicherlich auch oft benutzen, E-Mail-Anbieter, Nachrichtendienste, die Universitätshomepage, meine eigenen Projekte, Facebook und so weiter – nicht wirklich zielführend, denn mir fiel auf, dass ich diese Seiten zwar mehr oder minder täglich aufsuche, allerdings scheinen mir die Motive eher pragmatischer Natur: auf dem Laufenden zu bleiben, einfache Kommunikationswege, nötige Alltagsinformationen wie Moduleinschreibungen – wo bleibt da die Wertschätzung, die im Begriff „Lieblings~“ steckt?
Wertschätzung! Das ist es, dachte ich, und begann, darüber zu sinnieren, was ich gerne tue. Apropos Motive. Da fällt mir ein, wieso es vielen Künstlern so schwer fällt, sich an Termine zu halten. Motivation wird unterschieden in extrinsische und intrinsische Motivation. Erstere beschreibt Motivation, die durch äußere Anreize getrieben ist, damit lassen sich zum Beispiel biologische Grundbedürfnisse wie Hunger und Durst oder soziale Grundbedürfnisse nach Anerkennung oder schlichtweg guten Noten ganz gut erklären. (Wie genau, dafür gibt es verschiedene Ansätze, die hier zu weit führen.) Im Gegensatz dazu steht von innen angetriebenes Verhalten (sogenanntes intrinsisch motiviertes Verhalten). Dieses lässt sich nicht auf äußere Bedürfnisse zurückführen.
Ein Beispiel dafür ist Spielverhalten. Spielen folgt keinem äußeren Antrieb. Kunst, zumindest sagte man mir so, wohl auch nicht. Menschen schlussfolgern daraus, so die Theorie, dass sie etwas „gerne“ tun, wenn sie es aus innerem Antrieb tun. Und da steckt der Kasus Knacktus: Forscher fanden heraus, dass Belohnung und Bestrafung dazu führen, dass das ursprünglich von innen getriebene Verhalten seltener gezeigt wird, nämlich nur, wenn Anreiz dazu besteht (und zwar von außen). Die Konsequenzen sind dramatisch: soll jemand den Spaß am Lernen behalten, sollte man ihn nicht dazu zwingen; Kinder sollten sich langweilen dürfen, denn zu viel Input (der letztlich in empfundenem Lob oder Tadel endet) mündet in geringerem Spieltrieb. Ihr Kind muss nicht mit sieben Beethoven spielen! Und, klingelt es? Richtig, wenn von einem kreativen Produkt Äußerlichkeiten abhängen wie Plattenverträge, Kolumnentermine, ... widerspricht das dem intrinsischen Geist der Sache. Gut, hätten wir also auch ein für alle Mal darüber nachgedacht, warum Kolumnenschreiben kein Zuckerschlecken ist. Das ist jetzt (wie in der Alltagspsychologie üblich) ein Beschluss, den es im Leben stets zu bestätigen gilt.
Was lerne ich daraus? Ja, ich studiere wirklich gerne, trotz Prüfungsstress, aber wie bringt mich das zu meiner Lieblingsseite? Ha! Musiker!
Ich dachte an all meine Lieblingskünstler, musste jedoch feststellen, dass ich deren Webauftritte stets auf der Suche nach konkreter Information durchforste. Wieder nichts. Doch dann, welch Heil, kurz vor 0 Uhr der rettende Einfall: als ich vor etwa einem Jahr auf der Bandseite von Wir sind Helden las, dass Judith Holofernes Gast bei TVnoir sein würde, betrat ich sie zum ersten Mal:
Link
Moderiert von dem einmaligen Tex Drieschner werden einmal im Monat zwei Künstler eingeladen, die Musiktalkshow (mittlerweile läuft sie auch auf ZDFkultur – warum schreiben die eigentlich ZDF groß und Kultur klein?) besteht zum großen Teil aus Interviews und musikalischen Einlagen der beiden Gäste. Jeder Gast muss zum Beispiel ein Cover spielen, das führt zu sehr interessanten Interpretationen. Außerdem gibt es ein paar sympathisch-schräge Einlagen: Pantomime oder die Rubrik „Das Leben ist ein Wunschkonzert“, bei der das Publikum Songtitel auf die Bühne ruft, welche die Künstler spontan interpretieren müssen. Jeder darf sich einen aussuchen in den 20 Sekunden, ansonsten winkt ein Strafsong, der meist in einer formidablen Blamage enden würde, weswegen er zu vermeiden ist.

Ich mag die Ursprünglichkeit in Humor, Intelligenz und Aufmachung dieses Projektes. Ich besuche die Seite nicht oft, sondern nur, um die Shows zu gucken, oder ein Ticket für die TVnoir-Konzerte zu erwerben (Geheimtipp!), doch jedes Mal gebe ich gerne „TVnoir.de“ im Adressfeld ein und drücke Enter.

In diesem Sinne: Ich wünsche Ihnen ein Konzert.

Und mir wünsche ich, dass andere Menschen ihre Lieblingsseiten mit uns teilen möchten.

Sonntag, 11. März 2012

Warum die Hoffnung vielleicht zuerst stirbt

In einem meiner Lieblingslieder heißt es:
"Wenn du sonst keinem glaubst, würdest du glauben, wenn sie sagten: 'Schau, wir fixieren deine Schrauben.', wenn sie sagten: 'Wir nehmen dir deine Krücken.'? Sag: Würdest du tanzen oder dich danach bücken?" (Wir sind Helden: Alles)

Die Anspielung, - der Fachbegriff dafür ist Allusion -, auf die Bibel und Jesu‘ Heilungswunder ist ziemlich eindeutig. Vielleicht erscheint dieses Zitat gerade in diesem Kontext im ersten Moment widersinnig. Müsste man nicht tanzen wollen in so einer Situation? Oder nach vielen aussichtslosen Situationen alles daran setzen, ein Unglück, das sich offenbar vermeiden lässt, zu verändern? Müssten beispielsweise Menschen, die einmal Mobbingopfer waren, sich nicht gegen zukünftige Ereignisse dieser Art viel früher und entschiedener wehren? Oder sollten Menschen, denen in ihrer Kindheit häusliche Gewalt widerfahren ist, diese Situation nicht entschieden vermeiden? Vielleicht ist gerade das nicht der Fall:

In den späten 1960ern führten Martin E.P. Seligman et al. eines der sogenannten klassischen Experimente der Psychologie durch. (Dazu gehört unter anderem auch das Milgram-Experiment zum Gehorsam, falls das jemandem etwas sagen sollte.) Seligman und seine Kollegen setzten drei Gruppen von Hunden in einer Box unterschiedlichen Bedingungen aus.
Die erste Gruppe erhielt im ersten Durchgang Elektroschocks und konnte diese durch entsprechendes Verhalten (z.B. Betätigen eines Hebels) beenden. Die Tiere in dieser Gruppe lernten ziemlich schnell, den Stromfluss gleich nach dessen Einsetzen zu beenden. Eine zweite Gruppe bekam ebenfalls Elektroschocks, wann immer die erste welche erfuhr, konnte diese jedoch nicht unterbrechen. Ihr Verhalten hatte keinerlei Einfluss auf den aversiven Reiz. Die dritte Gruppe diente als Kontrolle und verbrachte einfach dieselbe Zeit wie die anderen beiden Gruppen in der Box, ohne Strom und ohne Hebel.
Im zweiten Durchgang wurden die Bedingungen verändert. Es gab nun zwei verbundene Boxen. Dieses Mal gab es für alle Gruppen Stromschläge, denen die Tiere durch Wechseln der Box entkommen konnten. Die Unterschied zwischen den Gruppen waren frappierend: Die Hunde der ersten Gruppe, denen die Stromstöße schon vertraut waren, lernten schnell, dem Reiz nicht nur in die andere Box zu entkommen, sondern ihn ganz zu vermeiden, indem sie bereits vor Eintreten des Stromflusses wechselten. Aufgrund der fehlenden Erfahrung mit der Situation lernte die Kontrollgruppe wesentlich langsamer als die erste.
Nun das Erstaunliche: Die Hunde der zweiten Gruppe, deren Verhalten im ersten Durchgang keinen Einfluss auf die Elektroschocks hatte, zeigten fast gar kein Lernverhalten. Wenige lernten sehr langsam ein Flucht- und Vermeidungsverhalten zu zeigen, die meisten ließen die Stromschocks jedoch lethargisch über sich ergehen. Seligman prägte für dieses Phänomen den Begriff „erlernte Hilflosigkeit“. Erlernte Hilflosigkeit ist eine Hypothese zur Erklärung des Experiments. Sie besagt, die Hunde hätten quasi gelernt, dass ihr Tun auf die Umwelt keinen Einfluss ausübt, konkret auf diesen aversiven Reiz, deswegen tun sie einfach nichts, um die Situation zu verändern, obwohl sie dazu rein objektiv in der Lage wären. Seligman nutzte das als Ausgangspunkt für seine Theorie zur Depressionsentstehung beim Menschen und gründete darauf seine eigenen Therapieansätze.
Dabei möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass der Umgang mit Tieren in diesem Experiment äußerst fragwürdig ist, und dass in der Psychologie auch andere Ansätze zur Erklärung des Experiments existieren als „erlernte Hilflosigkeit“. Davon abgesehen ist die schlichte Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen auch erkenntnistheoretisch nicht ganz sauber. Schieben wir diese Bedenken jedoch einen Moment beiseite, denn ich möchte bei der Kernaussage des Experiments bleiben.
Scheinbar gibt es ein grundlegendes Phänomen: Menschen können sich nicht immer selbst helfen, wenn sie es eigentlich (objektiv) könnten. Aussagen wie „Der ist doch selbst Schuld, er hätte es doch anders machen können.“ sind mit äußerster Vorsicht zu tätigen und sollten den gesunden Widerspruchsgeist erregen. Kennen Sie in Ihrem Umfeld Menschen, bei denen Sie sich fragen, warum sie ihre Probleme einfach nicht in den Griff bekommen, obwohl es doch „ganz einfach“ wäre? Denken Sie mal drüber nach.

Menschen neigen dazu, den Einfluss von Individuen zu überschätzen und den der Situation auf das Individuum zu unterschätzen. Haben Sie schon öfter mal gedacht: „Wenn ich in der Situation wäre, würde ich viel besser damit klarkommen!“? Bestimmt. Das nennt man übrigens den fundamentalen Attributionsfehler. Aber genug gefachsimpelt. Einen schönen Sonntag.

Donnerstag, 8. März 2012

Verschleiert

Es liegt ein Schleier über der Stadt
und die gelben Lichter schleichen hindurch.
Ein Netz aus orangefarbenen Punkten
führt sie und die Dunkelheit umrahmt sie mit
blaugrauem Kontrast.
Prinzip der lateralen Hemmung:
umso heller erscheinen ihre Weisungen,
umso deutlicher zeichnen sich die Wege der Menschen.
Wie kommen all die Rechtecke in den regennassen Asphalt
über dem Halteverbot?
Schlussfolgerung: Jemand hat die Regeln verletzt,
kognitive Dissonanz,
bis die Paragraphen weinen.
Die Menschen sind schon so verkehr-t,
dass sie nicht mehr still stehen können,
man will nur noch ankommen,
schnellstmöglich,
am Ende des Rings.

Dienstag, 3. Januar 2012

Lesetipp:

http://keinejugend.de/

Dienstag, 20. September 2011

Lyrische Krisensitzung

Viele Bildkünstler sagen unabhängig voneinander, dass sie nur nachzeichnen – nur die Bilder „sichtbar machen“, die das Papier schon in sich trägt. Aber was hinterlässt da seine Spuren auf dem weißen Untergrund, oder besser: Was hinterlässt seine Spuren in den Künstlern? Es handelt sich wohl um Projektionen – intellektuelle, aber vor allem emotionale: Sehnsüchte, Gefühle, aber eben auch Gedanken. Wie das genau vonstattengeht, liegt momentan noch außerhalb des wissenschaftlichen Verständnisses, obwohl es einige theoretische Ansätze gibt und Experimente, die zeigen, dass Künstler sehr assoziativ arbeiten und die Kreativität in der Vielfalt dieser Heranziehungen liegt. Am ehesten ist das wohl mit dem Begriff der Fantasie umschrieben.
Diese Fähigkeit, „Bilder“ durch Herausstellen von wesentlichen Eigenschaften zu entwickeln (unabhängig davon, welches Medium man sich wählt), nennt man Abstraktionsvermögen. Was dabei als wesentlich gilt, ist sowohl vom Künstler als auch vom Rezipienten abhängig. Ebendiese Art zu denken, gilt als eine der wesentlichen Eigenschaften des Menschen. Die Künstlerischen Therapien gehen davon aus, dass diese Ausdrucksmöglichkeit eine Art Menschheitsgabe ist, die grundsätzlich jedem Menschen offen steht.
„Heimlich tut jeder, was er am besten kann.“, beginnt ein Song der Freiburger Band Tele. Das trifft allzu oft auf kreatives Schaffen zu. Jeder hat auf irgendeine Weise Ideen, sich künstlerisch mitzuteilen, allerdings trauen sich nur wenige Menschen, sie auch zu Ende zu denken oder gar auszuführen. Dabei ist vom handwerklichen Anspruch der intellektuellen Kunstszene noch nicht die Rede.
Wer schreiben kann, der schreibt Gedichte, Briefe, Geschichten oder ganze Bücher. Wer malen oder zeichnen kann, schafft Bilder, Gemälde oder einfach nur kleine Figürchen auf Glückwunschkarten. Musik kann ebenfalls Medium sein und ein sehr starkes wohl. Das Wesentliche ist die Umwandlung des inneren Erlebens in etwas Äußerliches, mit dem andere Menschen und auch der Künstler selbst in Interaktion treten können. Einmal hab ich einen Schlosser gesehen, der seiner Freundin ein Herz aus Metallteilen geschweißt hat, sie hat sich sehr gefreut. Der künstlerische Anspruch der Geste sollte wohl nicht überschätzt werden, dennoch sind Kunstwerke offenbar in der Lage uns direkt, auf einer affektiveren, emotionalen Ebene zu treffen. Besonders leicht geht das mit simpelsten Stilmitteln: so erlebbar in den Melodien von Kinderliedern oder in Kinderbüchern.
Vor allem für Musik lässt sich nachweisen, dass bereits sehr früh Strukturen im Gehirn dafür geschaffen werden, was harmonisch ist und was nicht. Dabei bilden sich, logischerweise, die Erwartungshaltungen des Gehirns aus den Konventionen des kulturellen Umfeldes heraus. (Die Theorien über das Warum und Wie würden an dieser Stelle zu weit führen.)
Ich kenne viele Menschen, die der Auffassung sind, es wäre nicht notwendig, sich in irgendeiner Form ausdrückend mit sich selbst auseinanderzusetzen. Ich glaube schon, dass das notwendig ist, womit allerdings auch der Ausbruch aus der oben erwähnten Heimlichkeit verbunden wäre. Etwas nach außen zu tragen bringt meist auch ein Verlangen mit sich, es jemandem zu zeigen, aber warum auch nicht. Das sichtbare Ergebnis eines künstlerischen Akts bietet die Möglichkeit der Reflexion, welche übrigens nach einigen gängigen Theorien eine Kernfunktion von Gesellschaft darstellt. Die durch das Feedback ermöglichte Weiterentwicklung gilt auch als ein möglicher Grund für den evolutionären Erfolg von Kunst in den Kulturen. Bereits von Urmenschen sind bildhauerische Arbeiten gefunden worden.
Der Wunsch nach einem Verstandenwerden, also das Mitteilungsbedürfnis, ist eine zentrale Emotion des Gesellschaftswesens Mensch. Das trifft jedenfalls auf den Großteil der Menschen zu. (Bekannte Ausnahme sind sicherlich Menschen mit sogenanntem „gestörten Sozialverhalten“, wobei mir dieser Begriff zu negativ konnotiert ist. Denn ob dauerhaftes, distanziertes Verhalten wirklich „krankhaft“ ist, sollte immer wieder kritisch hinterfragt werden und ist stark vom subjektiv empfundenen Leiden abhängig.) Gerade in Krisen wird es notwendig, sich auf ein inneres Identitätsbewusstsein verlassen und möglicherweise auf Hilfe von außen einlassen zu können. Was ist aber, wenn man in einer Identitätskrise steckt – worauf soll man sich stützen, wenn alle Ideen vom eigenen Selbst lediglich im Kopf existiert haben und nie auf irgendeine Weise nach außen getragen wurden? Es ist wie der berühmte Blick von oben auf das Schachbrett, der einem erlaubt, Dinge zu sehen, die keinem der beiden Spieler je auffallen würden; neue Perspektiven, Möglichkeiten, die Probleme lösen können. Ein altes Sprichwort sagt, dass ein Freund jemand ist, der einem die Melodie des Herzens vorspielt, wenn man sie selbst vergessen hat. Wie will denn, wer sie nie vorgespielt hat, die Noten nie verraten hat, sein eigenes Lied gezeigt bekommen? Das ist, zugegeben, eine sehr verklärte Metapher, die aber die Bedeutung von Kunst für den Einzelnen in meinen Augen sehr anschaulich wiedergibt.
Wenn die Kreativität also eine Form der inneren Krisensitzung darstellen kann, wie würde man sie nennen, je nach der eigenen Veranlagung? Ein Musiker würde sicher von musikalischer Problemverarbeitung sprechen. Ein Maler könnte das Ganze als Seelenmalerei bezeichnen. Es geht also nicht um etwas, das nicht jeder tun könnte. Für die meisten hier würde wohl dann lyrische beziehungsweise literarische Krisensitzung das Ganze treffend beschreiben. Es ist ganz alltäglich und wahrscheinlich auch ein inneres Bedürfnis, dem man nachgehen sollte. Ich plädiere daher dafür, nicht jedes möglicherweise therapeutische Schriftwerk sofort handwerklich zu untersuchen, sondern zu versuchen, das daran festzumachen, welchen Anspruch der Künstler selbst an sein Schaffen hat.

Sonntag, 14. März 2010

Warum man einen weißen Hasen jagt, wenn man weiß, wie die Geschichte ausgeht.

It‘s always the same, it‘s always chasing the white rabbit through the labyrinth. It‘s always coming to the end and then finding wonderland and finally playing run and hide.

Suchen wir nicht alle nur den weißen Hasen? Jemanden oder etwas, das uns entführt, das uns kidnapped aus dem Alltag und so viel Lösegeld fordert, dass die Welt sich eingesteht, dass sie auf das eine Spielzeug verzichten kann. Die Jagd nach dem weißen Hasen ist auch verfassungsrechtlich längst als Grundrecht gewährleistet: „pursuit of happiness“. Doch wie oft stehen wir vor den Türen von Wunderland, haben das Türrätsel gelöst, denken „wonderful“, drehen uns um und gehen?
Man steht auf, unternimmt allerlei Anstrengung, um schließlich dressed up vor die Tür zu treten. Ready for Spiegelsaal. Outdoor ist gefährlich, deswegen gibt es dafür auch spezielle Schutzkleidung, man begegnet vielen Menschen. Viele Menschen sind schlecht geschliffene Linsen: man kann durch sie hindurch blicken, die Welt ein bisschen meinungsverzehrt betrachten und weitergehen. Einige sind Spiegel mit einem unmöglichen, tadelnswerten Drang, die Wahrheit zu zeigen. Sozusagen anti-business-as-usual-Menschen. Das ist das Wundervolle an ihnen und das Schmerzhafte. Für sie wurde wahrscheinlich der Raumanzug erfunden, mit verspiegeltem Visier. (Es gibt auch billige Sonnenbrillen, die diesen Effekt ansatzweise imitieren.)
Sollte so ein Mensch einem dennoch in die Augen blicken, würde er einen zwangsläufig berühren, die Welt würde aufbrechen und dieser Mensch in die Welt ein. Davon träumt der Jäger und davor hat er Angst.

It‘s business as usual but you cannot buy wonderland which unfortunately also means you cannot sell it. There is no run and hide.

Über diesen Blog

...weltenbruchstücke auf der suche nach ihrer identität. von asynchronen zeitmesseinheiten und weltereignissen zwischen tür und angel. von schlafenden menschen und warum man sie (nicht) wecken sollte...

Schauen Sie auch hier vorbei

Aktuelle Beiträge

Alltag
Oh Alltag, wie schön du mich umgibst – ich bin eine...
Magun - 25. Mai, 15:47
Wuschelkuh
Oh Wuschelkuh, was kümmern dich des Menschen Grenzen! Seien's...
Magun - 25. Mai, 15:46
Es ist kalt geworden
http://www.keinverlag.de/t exte.php?text=316684
Magun - 16. Mai, 23:19
Kosmonaut
Magun - 10. Mai, 20:17
Kosmonaut
Ich bin ein Kosmonaut, der den Himmel vor Planeten...
Magun - 10. Mai, 20:15

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Web Counter-Modul

Suche

 

Status

Online seit 5708 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 10. Mai, 20:15

Credits


Allgemeines
Lyrik
Spracherscheinungen
Über den Verfasser dieses Blogs
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren